Düsseldorf. Der Landtag hat am Donnerstag einen Beschluss gegen die als antisemitisch eingestufte BDS-Bewegung einstimmig angenommen. Vertreter jüdischer Verbände konnten die Debatte jedoch nicht verfolgen, weil der Landtag diese kurzfristig vorverlegt hatte. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nahm an der Debatte vor halbleeren Rängen nicht teil.
„In Nordrhein-Westfalen ist kein Platz für die antisemitische BDS-Bewegung“, lautete ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von CDU, FDP, SPD und Grünen, über den der Landtag am Donnerstag abgestimmt hat. „Das Existenzrecht Israels gilt für uns uneingeschränkt. Es ist für uns nicht verhandelbar. Es gehört zur deutschen Staatsraison. Wir lassen nicht zu, dass es von der BDS-Bewegung infrage gestellt wird“, hieß es darin.
Auch die AfD-Fraktion sowie die Abgeordneten der Blauen Partei stimmten für den Antrag. Damit wurde einstimmig beschlossen, dass Einrichtungen des Landes der BDS-Kampagne keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und keine Veranstaltungen der BDS-Bewegung oder von Gruppierungen, die die Ziele der BDS-Kampagne verfolgen, unterstützen dürfen. Auch wurden Städte, Gemeinden, Landkreise und alle öffentlichen Akteure damit aufgerufen, sich dieser Haltung anzuschließen.
Neue „Kauft nicht bei Juden“-Kampagne?
BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“ (Boykott, Desinvestition und Sanktionen). Die Bewegung entstand 2005 durch palästinensische Organisationen und Gruppen, die sich das Modell des langjährigen Boykotts der arabischen Liga gegen Israel zum Vorbild gemacht hatten. Ziel dieser von vielen Politikern als antisemitisch eingestuften Kampagne ist die wirtschaftliche, politische und kulturelle Isolation Israels.
In Deutschland hatte die BDS-Bewegung zunächst mit einer Kampagne gegen israelischen Waren begonnen. Boykottaufrufe für israelische Produkte führten schnell dazu, dass sich viele Menschen an die Nazi-Kampagne „Kauft nicht bei Juden“ erinnert fühlten. In Nordrhein-Westfalen war die BDS-Bewegung zuletzt wochenlang in den Schlagzeilen, weil die Intendantin der Ruhrtriennale, Stefanie Carp, mehrfach mit dieser Kampagne sympathisierende Künstler zu dem Kulturfestival eingeladen hatte.
Vertreter der jüdischen Verbände kamen vergebens
Aufgrund der Bedeutung, die dieses Thema für die in Deutschland lebenden Juden hat, wollten Inna Goudz vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, Ran Ronen, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf (JGD), und Michael Naor, Präsident der B’nai B’rith Franz-Rosenzweig-Loge in Düsseldorf, die Debatte im Landtag mitverfolgen. Das scheiterte jedoch daran, dass die Debatte, die ursprünglich für 14 Uhr 25 angesetzt war, am Vorabend auf 13 Uhr 15 vorverlegt wurde, am Donnerstagmittag aber plötzlich und ohne jede Mitteilung vorab gegen 12 Uhr 40 begann.
Während sich die Vertreter der jüdischen Verbände noch im Foyer des Landtags sammelten, ohne dass ihnen die erneute Terminänderung mitgeteilt wurde, sprach mit Gabriele Walger-Demolsky bereits die vorletzte Rednerin dieses Tagesordnungspunktes. Die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende kritisierte, dass Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen noch im August bei einer Veranstaltung der Ruhrtriennale mit Vertretern der BDS-Bewegung diskutiert hatte.
Interview findet via Israel den Weg in den Landtag
Dann zitierte sie die Kritik von Oded Horowitz, dem Landesvorsitzenden der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, an der Halbherzigkeit der Politik im Umgang mit dem in den letzten Jahren dramatisch gestiegenen Antisemitismus. Auch griff Walger-Demolsky dessen Kritik an den Landerechten für die iranische Fluglinie Mahan Air in Düsseldorf auf. Die private Airline wurde 2011 von den US-Behörden auf eine „schwarze Liste“ gesetzt. Laut Angaben des US-Finanzministeriums unterstützte Mahan Air jene Einheiten der iranischen Revolutionsgarden, die hinter mutmaßlichen Attentatsplänen auf den saudi-arabischen Botschafter in den USA stecken sollen.
Damit bezog sich Gabriele Walger-Demolsky auf zwei Stellen eines vor zwei Wochen veröffentlichten NRW.direkt-Interviews mit Oded Horowitz, die in Nordrhein-Westfalen eher unbeachtet blieben – aber rund eine Woche später von der israelischen Tageszeitung Jerusalem Post aufgegriffen wurden. Walger-Demolsky beendete ihre Rede mit den Worten: „Die Zeit der Bekenntnisse, die war lang, die muss jetzt endlich durch Handeln abgelöst werden.“
Stamp rückt Ruhrtriennale-Diskussionen in den Hintergrund
Nach ihr sprach als letzter Redner der stellvertretende Ministerpräsident Joachim Stamp. Der FDP-Politiker ist im Landtag eher für offensive Reden bekannt. Am Donnerstag aber sprach er nicht für die FDP-Fraktion, deren Mitglied Lorenz Deutsch vor Wochen die Entlassung von Stefanie Carp als Intendantin der Ruhrtriennale gefordert hatte, sondern als Vertretung des bei der Debatte zur BDS-Bewegung abwesenden Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) für die Landesregierung.
Damit blieb Joachim Stamp jedoch nur noch wenig Spielraum; alles, was mit Stefanie Carp und den Schlagzeilen um die Ruhrtriennale zu tun hatte, wurde in seiner kurzen Rede eher gemieden – womit er aber auch den Auslöser der Debatten um die BDS-Bewegung in den Hintergrund rückte. Stattdessen erläuterte er ausführlich, warum die BDS-Bewegung als antisemitisch anzusehen sei. Darin war er jedoch klar und unmissverständlich: „Die BDS-Bewegung wird zu Recht als antisemitisch eingestuft, weil sie den Boykott ‚Kauft nicht bei Juden‘ auf Israel überträgt.“
Mit der Rede von Joachim Stamp war die Debatte rund fünf Minuten vor ihrem angekündigten Beginn schon wieder zu Ende. Die Aussprache fand nur vor halbleeren Rängen statt. Bei ausnahmslos allen Fraktionen blieben Plätze leer, insbesondere die vorderen Reihen der SPD-Fraktion waren auffällig schwach besetzt. Auch auf der Pressetribüne herrschte Leere; nur eine Journalistin war bei diesem Tagesordnungspunkt dort zu erblicken.
„Das war für die jüdische Gemeinschaft sehr wichtig“
Das sorgte auch bei den Vertretern der jüdischen Verbände für Irritationen: „Mit dem Resultat sind wir natürlich total happy. Das war für die jüdische Gemeinschaft sehr wichtig“, sagte Ran Ronen. „Aber wir sind enttäuscht, dass wir das nicht mitverfolgen konnten. Auch hätten wir uns gewünscht, dass das allen Parlamentariern ein wichtiges Anliegen ist. Aber das war offenbar nicht so.“
„Für uns Juden in Deutschland ist die BDS-Bewegung eine antisemitische Bewegung“, erläuterte Ronen. „Wir erwarten, dass mit der Ernennung des Antisemitismus-Beauftragten solche Debatten mehr Gewicht erhalten und den guten Absichten auch Taten folgen.“ Mit rund 7.000 Mitgliedern ist die JGD die drittgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland.
Bild von links: Michael Naor, Inna Goudz und Ran Ronen. Bildrechte: NRW.direkt
Stellungnahme der Redaktion: Wir möchten betonen, dass wir unseren Lesern gerne ein vollständiges Bild dieser nicht nur für Juden wichtigen Debatte wiedergegeben hätten. Damit meinen wir, dass wir auch gerne über die anderen Redner und ihre Ausführungen berichtet hätten, die vor Gabriele Walger-Demolsky und Joachim Stamp gesprochen haben, insbesondere über die Rede von Lorenz Deutsch. Da aber auch der Verfasser dieser Zeilen, obwohl er vorsorglich mehr als zwanzig Minuten vor dem zuletzt mitgeteilten Termin dieser Debatte im Landtag war, über deren erneute Vorverlegung ebenfalls nicht informiert wurde, kam er leider erst während der Rede von Gabriele Walger-Demolsky in den Plenarsaal. Und eine Berichterstattung über Reden oder Teile von Reden, die man nicht selbst gehört hat, verbietet sich aus Gründen der journalistischen Seriosität. Insgesamt ist unsere Redaktion sehr verwundert, wie der Landtag am Donnerstag mit einem Tagesordnungspunkt umgegangen ist, der dank der Berichterstattung der Jerusalem Post auch in Israel aufmerksam verfolgt wird.