Bergisch Gladbach. Als der Landtag im September einen einstimmigen Beschluss gegen die als antisemitisch eingestufte BDS-Bewegung fasste, wurden die Kommunen aufgefordert, dem zu folgen. In Bergisch Gladbach aber stimmte der Stadtrat in dieser Woche gegen einen entsprechenden Beschluss.

Das Rathaus in Bergisch Gladbach (Bild: NRW.direkt)
Zumindest beim Thema BDS-Bewegung waren sich am 20. September im Landtag ausnahmslos alle Fraktionen und alle Abgeordneten einig: Einstimmig wurde beschlossen, dass Einrichtungen des Landes der BDS-Kampagne keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und keine Veranstaltungen der BDS-Bewegung oder von Gruppierungen, die die Ziele der BDS-Kampagne verfolgen, unterstützen dürfen. Auch wurden Städte, Gemeinden, Landkreise und alle öffentlichen Akteure damit aufgerufen, sich dieser Haltung anzuschließen.
BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“ (Boykott, Desinvestition und Sanktionen). Die Bewegung entstand 2005 durch palästinensische Organisationen und Gruppen, die sich das Modell des langjährigen Boykotts der arabischen Liga gegen Israel zum Vorbild gemacht hatten. Ziel dieser von vielen Politikern als antisemitisch eingestuften Kampagne ist die wirtschaftliche, politische und kulturelle Isolation Israels.
In Deutschland hatte die BDS-Bewegung zunächst mit einer Kampagne gegen israelischen Waren begonnen. Boykottaufrufe für israelische Produkte führten schnell dazu, dass sich viele Menschen an die Nazi-Kampagne „Kauft nicht bei Juden“ erinnert fühlten.
Ganey-Tikva-Verein reagiert sofort
Auch der Ganey-Tikva-Verein in Bergisch Gladbach begrüßte die Entscheidung im Landtag. Nur fünf Tage später legte der Verein Bürgermeister Lutz Urbach (CDU) einen stark an den Landtagsbeschluss angelehnten Entwurf vor und wollte, dass dieser bei der Ratssitzung am 18. Dezember zur Abstimmung gestellt wird. Der Dirigent und Pianist Roman Salyutov, der das deutsch-israelische Yachad Chamber Orchestra gegründet hat, unterstützte das Anliegen des Ganey-Tikva-Vereins.
Das Verhältnis zwischen dem Verein, der jahrelang für die Partnerschaft mit der israelischen Stadt Ganey Tikva zuständig war, und dem Bürgermeister ist jedoch äußerst gespannt: Mitte Juli hatte Lutz Urbach entschieden, dass die Stadt mit den Vertretern des Vereins nicht mehr zusammenarbeitet und alle Aktivitäten im Zusammenhang mit der Städtepartnerschaft wieder ins Bürgermeisterbüro zurückgeholt werden.
In einem Interview begründete der CDU-Politiker das damit, dass der Ganey-Tikva-Verein „seinen Fokus auf die Bekämpfung von Antisemitismus gelegt“ habe und „verstärkt Positionen einer radikalen Israel-Politik“ verfolge. Der Verein aber verzeichnete Neueintritte, darunter auch der bekannte israelische Publizist Arye Sharuz Shalicar, und setzte seine vielfältigen Aktivitäten unbeirrt fort.
Beit-Jala-Städtepartnerschaftsverein dagegen
Was aber auch bei denen Unmut auslöste, die für die Städtepartnerschaft mit der Stadt Beit Jala zuständig sind. Beit Jala liegt in der Westbank und unterhält ebenfalls eine Städtepartnerschaft mit Bergisch Gladbach. Im Oktober meldete sich der Städtepartnerschaftsverein Bergisch Gladbach-Beit Jala gegenüber den Fraktionen im Stadtrat zu Wort und beurteilte den vom Ganey-Tikva-Verein gewünschten Ratsbeschluss „sehr kritisch“.
Dies sei für Bergisch Gladbach nicht notwendig, da „keinerlei derartige Bestrebungen in unserer Stadt bekannt“ seien. Die vom Ganey-Tikva-Verein vorgeschlagene – und an den Landtags-Beschluss angelehnte – Formulierung, die Stadt dürfe „der BDS-Kampagne keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und keine Veranstaltungen der BDS-Kampagne oder von Gruppierungen, welche die Ziele der BDS-Kampagne verfolgen, unterstützen“, werde als Versuch gesehen, „die politische Meinungsfreiheit in Bergisch Gladbach einzuschränken“, hieß es in dem unserer Redaktion vorliegenden Schreiben.
Bürgermeister sieht Stadt „nicht zuständig“
Damit war es keine Überraschung mehr, dass das Büro des Bürgermeisters für die Ratssitzung am Dienstag eine Beschlussvorlage initiierte, in der sich der Stadtrat „im Hinblick auf den Antrag des Ganey-Tikva-Vereins, dem Aufruf des Landtages gegen die BDS-Bewegung zu folgen, für nicht zuständig“ erklärt. Der Antrag des Ganey-Tikva-Vereins wurde daraufhin im Stadtrat abgelehnt. Laut des Bürgerportals Bergisch Gladbach hatten CDU, SPD und Teile der Grünen dagegen gestimmt.
Damit hat sich die Stadt Bergisch Gladbach aber auch dem einstimmigen Aufruf des Landtags, sich gegen die BDS-Bewegung zu stellen, verweigert. Beim Ganey-Tikva-Verein wollte man sich dazu nicht äußern: „Das möchte ich nicht kommentieren“, sagte die Vereinsvorsitzende Petra Hemming am Donnerstag auf Nachfrage. „Das spricht für sich.“ (ph)