Mönchengladbach. Mit einem offenbar falschen Geburtsdatum sowie der Behauptung, das 65-jährige Opfer habe Sex gewollt, reagierte ein afrikanischer Asylbewerber am Montag vor dem Amtsgericht auf den Vorwurf der Vergewaltigung. Nachdem dies auf Unglauben stieß, wurde der Prozess an das Landgericht verwiesen.

Bachir D. (Bild: NRW.direkt)
Die Vergewaltigung hatte mitten im Karneval am Niederrhein Entsetzen ausgelöst: Am 12. Februar hatten die Hilferufe einer 65-jährigen Frau kurz nach Mitternacht Zeugen alarmiert, die sofort die Polizei verständigt hatten. Als die Polizisten am Tatort im Bereich eines Viersener Friedhofs eintrafen, fanden sie den Tatverdächtigen noch auf seinem nahezu vollständig entkleideten Opfer liegend vor. Trotz eines Warnschusses flüchtete der Mann, konnte aber aufgrund von Schneespuren kurz darauf in einem Versteck festgenommen werden.
Am Montagmorgen musste sich Bachir D. vor dem Amtsgericht Mönchengladbach verantworten. Aber schon bei der Aufnahme seiner Personalien widersprach der 2016 über Italien nach Deutschland eingereiste Asylbewerber dem Gericht: So sei das in seinen Akten vermerkte Geburtsjahr 1997 falsch. Tatsächlich sei er am 3. April 2001 geboren, dies habe ihm sein Onkel erzählt, behauptete er. Auch käme er nicht aus Guinea, sondern aus Angola, behauptete der zur Tatzeit in einer Asylbewerberunterkunft in Viersen untergebrachte Mann.
Für alles eine Erklärung parat
Auch dem Vorwurf der Vergewaltigung widersprach Bachir D.: Mit der 65-Jährigen habe er bereits mehrfach zuvor einvernehmlichen Sex auf Parkbänken gehabt. Die Situation in der Nacht erklärte er damit, dass die Frau habe urinieren müssen. Um der betrunkenen Frau zu helfen, habe er ihre Hose heruntergezogen. Nachdem sie sich erleichtert hatte, habe sie erneut Sex gewollt und deswegen seine Hose geöffnet. Dabei sei sie nach hinten gefallen. Als er der auf dem Rücken liegenden Frau aufhelfen wollte, sei er ausgerutscht und auf sie gefallen. Selbst für die „Nein, Nein“-Rufe der Frau hatte Bachir D. eine Erklärung parat: Nachdem sie „wieder nach Sex verlangt“ habe, habe er gesagt, sie solle zuerst mit ihm nach Hause gehen. Da sie aber sofort Sex wollte, habe sie seinen Vorschlag mit „Nein, Nein“ beantwortet.
Je länger sich die Einlassung von Bachir D. hinzog, umso häufiger stellte Richter Sebastian Holtmann präzise Nachfragen. D. aber hatte für alles Erklärungen: Die Frage des Richters, warum er trotz des Warnschusses der Polizei geflüchtet sei, beantwortete er damit, dass ihn das Licht das Wagens geblendet habe. Außerdem sei es Karneval gewesen sei und da seien viele Betrunkene unterwegs. Warum er die Frau dabei nicht mitgenommen habe, erklärte er damit, dass er selbst betrunken gewesen sei und deswegen keine weitere betrunkene Person hätte tragen können.
Unmittelbar nach seiner Einlassung wurde das Opfer vernommen. Die 65-Jährige befindet sich seit der Tat wegen einer schweren Traumatisierung in einer Landesklinik. Um keine weitere Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zu riskieren und ihr die Aussage leichter zu machen, mussten der Angeklagte, aber auch Zuschauer und Journalisten dazu den Gerichtssaal verlassen. Als die Öffentlichkeit rund einer Stunde später wieder zugelassen wurde, fiel sofort auf, dass Richter Holtmann seine Rhetorik geändert hatte; plötzlich war die Rede davon, dass nach der Vernehmung des Opfers ein hinreichender Tatverdacht bestehe, dass es an dem betreffenden Abend insgesamt zwei brutale Vergewaltigungen mit „zeitlichem und örtlichem Abstand“ gegeben habe.
„Möglicherweise älter, aber auf keinen Fall jünger“
Zum Unverständnis mehrerer Zuschauer wurde die Frage nach dem tatsächlichen Alter von Bachir D. erst nach der Vernehmung des Opfers vertieft. Unter Berufung auf entsprechende Gutachten wurde erörtert, dass D. möglicherweise älter als 21 Jahre, „aber auf keinen Fall jünger“ sein dürfte und somit kein Jugendstrafrecht mehr anwendbar sei. Daraufhin beantragte die Staatsanwältin, das Verfahren an das Landgericht zu verweisen, da „die Strafgewalt des Amtsgerichts“ dafür nicht mehr ausreiche. Beim Erwachsenenstrafrecht dürfen Amtsgerichte nur Haftstrafen bis zu vier Jahren verhängen. Nach kurzer Beratung schloss sich das Gericht dem an und verwies den Prozess wegen einer „zu erwartenden Gesamtfreiheitsstrafe oberhalb von vier Jahren“ an das Landgericht.
Nachdem der Richter Bachir D. erklärt hatte, dass und warum sein Verfahren vor dem Landgericht fortgesetzt wird, antwortete dieser mit einem Redeschwall. Einsichtsfähigkeit aber war dabei nicht zu erkennen: „Man möchte mein Leben kaputtmachen“, übersetzte der Dolmetscher. Kurz darauf wurde D. in die Untersuchungshaft zurückgebracht.