Düsseldorf Panorama

Der „Kita-Imam“ – Chronologie eines Skandals

Düsseldorf. Die Diakonie hält weiter an dem umstrittenen Kita-Imam Asmer U. fest. Die CDU-Politikerin Sylvia Pantel reagiert darauf mit Unverständnis. Gleichzeitig wird die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall, die dessen radikale Facebook-Einträge aufgespürt hat, von großen Zeitungen als „Islam-Kritikerin“ diffamiert. Die Chronologie eines Skandals, der mit Ausnahme von NRW.direkt lange von allen Medien verschwiegen wurde.

Die evangelische Kita in Düsseldorf-Reisholz (Bild: NRW.direkt)

8. März: Düsseldorfer Medien berichten, dass der bosnische Imam Asmer U. zukünftig die evangelische Kindertagesstätte in der Steubenstraße in Düsseldorf-Reisholz besuchen wird, um dort Kinder über den Islam aufzuklären. Das evangelisch-muslimische Gemeinschaftsprojekt wurde von der Diakonie Düsseldorf als Trägerin der Kita Steubenstraße im Stadtteil Reisholz gemeinsam mit dem Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM) ins Leben gerufen. „Wir sind überzeugt, dass das Projekt hilft, offen und tolerant miteinander umzugehen“, sagt Diakonie-Pfarrer Thorsten Nolting.

14. März: Die politisch im linken Lager verhaftete Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall veröffentlicht einen Blogbeitrag über Facebook-Beiträge von Asmer U. Die Expertin hatte dessen Seite aufmerksam unter die Lupe genommen, eine Vielzahl radikaler Beiträge sowie zwei anti-israelische Schmäh-Karikaturen gefunden und diese mit Hilfe von Screenshots gesichert. Parallel zu ihrem Blogbeitrag verschickt Herrmann-Marschall eine Pressemitteilung an eine ganze Reihe von Medien im Rheinland, insbesondere im Raum Düsseldorf. Aber lediglich NRW.direkt greift die Mitteilung auf und berichtet unter der Überschrift „Kita-Imam radikaler Fundamentalist?“.

Enttarnter Imam reagiert mit AfD-Vorwürfen

Asmer U. reagiert noch am selben Tag, indem er alle entsprechenden Facebook-Beiträge löscht. In einem neuen Facebook-Beitrag wirft er Herrmann-Marschall vor, ihn „denunziert“ zu haben. Außerdem bezeichnet er sie als „AfD-Gutachterin“. Zur Begründung verweist er darauf, dass sie am 17. Januar für die AfD als Gutachterin in einer Landtags-Anhörung aufgetreten sei. Die extremistischen Beiträge auf seiner Facebook-Seite erklärt er damit, dass er sich „auch inhaltlich und theologisch mit den Inhalten auseinanderzusetzen“ habe.

Auffällig dabei ist, dass Asmer U. am Ende seiner Erklärung einen Link zu dem Hetz-Blog „Wehrt dem Hass“ anfügt. Dieser Blog wurde 2016 in Betrieb genommen und dient hauptsächlich der Verunglimpfung von Sigrid Herrmann-Marschall. So wird dem langjährigen SPD-Mitglied darin stereotyp Nähe zur AfD vorgeworfen. Der Blog wurde in einem Umfeld von Personen initiiert, die von Herrmann-Marschall als Islamisten enttarnt wurden. Das hält Dirk Sauerborn, Kontaktbeamter der Düsseldorfer Polizei für muslimische Gemeinden, jedoch nicht davon ab, den Facebook-Beitrag von Asmer U. mit „Gefällt mir“ zu markieren.

FDP-Minister schweigt zu den radikalen Beiträgen

15. März: Mehrere Medien berichten unter Berufung auf die Diakonie, dass diese wegen des Kita-Imam-Projekts „Hassmails“ bekomme. Zum Inhalt dieser Mails wird jedoch nichts mitgeteilt. Landesintegrationsminister Joachim Stamp verurteilt die Hassmails. Religiöse Vielfalt müsse als Bereicherung und nicht als Bedrohung verstanden werden, betont der FDP-Politiker. Zu den Facebook-Einträgen von Asmer U. sagt Stamp jedoch nichts.

17. März: In einem Artikel unter der Überschrift „Schweigen zu Enthüllungen über Kita-Imam“ greift NRW.direkt das Thema erneut auf und berichtet über die Reaktionen von Asmer U. In diesem Artikel äußert sich auch die Düsseldorfer CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel. „Ich bin schon sehr verwundert, dass niemand etwas dazu sagt, was Frau Herrmann-Marschall auf dem Facebook-Profil des Imams alles gefunden hat. Es ist ein zu durchsichtiges Ablenkungsmanöver, wenn der Imam jetzt Frau Herrmann-Marschall diffamiert und ihr AfD-Nähe unterstellt. Meines Wissens ist sie seit vielen Jahren SPD-Mitglied. Es wird langsam lächerlich, wer alles AfD-nah ist, nur weil man Fakten beibringt“, sagt Pantel wörtlich.

21. März: Sigrid Herrmann-Marschall verteidigt sich in einem auf dem linken Blog Ruhrbarone veröffentlichten Artikel unter der Überschrift „Diffamierungen wegen Enthüllungen über Kita-Imam?“ gegen den von Asmer U. erhobenen Vorwurf, sie sei Gutachterin der AfD. „Eine Zuschreibung, die nachweislich falsch ist. Aber wie kommt Asmer U. überhaupt dazu, eine solche Behauptung aufzustellen? Was hat er irgendwo aufgeschnappt, um frei Erfundenes dazuzudichten? Am 17. Januar gab es im Landtag eine Anhörung zur Ahmadiyya Muslim Jamaat Gemeinde und deren Antrag auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Gutachten der drei Sachverständigen lagen dem entsprechenden Ausschuss bereits vor. Aber am Nachmittag vor der Anhörung musste eine Sachverständige ins Krankenhaus, woraufhin die Verfasserin gefragt wurde, ob sie dafür einspringen könnte, damit die Anhörung trotzdem wie geplant stattfinden könne. Die Autorin half aus und sagte in der Anhörung ausdrücklich, dass sie einen anderen Ansatz vertrete als die Gutachterin, aber aus religionspolitischen Gründen zum gleichen Ergebnis komme. Alle Fraktionen im Ausschuss hatten die Möglichkeit, die Verfasserin zu befragen; enttäuschenderweise machte von diesem Fragerecht aber nur die AfD-Fraktion Gebrauch“, schreibt Herrmann-Marschall. Im islamismus-kritischen linken Lager hat der Artikel jedoch nur vereinzelt Solidarität mit ihr zur Folge. Im nicht-linken Lager reagiert lediglich Sylvia Pantel, indem sie Herrmann-Marschalls Artikel auf ihrer Facebook-Seite teilt.

Hetzkampagne gegen die Islamismus-Expertin

24. März: Auf dem Blog „Wehrt dem Hass“ wird ein Beitrag mit der Überschrift „Biologin begutachtet Muslime für die AfD“ veröffentlicht. Nun greift der Hetz-Blog ihre Teilnahme an der Anhörung zur Ahmadiyya-Gemeinde auf, um ihr erneut Nähe zur AfD vorzuwerfen. Von linken und insbesondere von islamistischen Kreisen wird der Blogbeitrag sofort begierig aufgegriffen und unzählige Male in den sozialen Netzwerken geteilt. Auch Asmer U. teilt den Beitrag auf seiner Facebook-Seite. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime Deutschland (ZMD), verbreitet den Schmäh-Artikel über Twitter.

Dabei hagelt es in den dazu verfassten Kommentaren persönliche Beleidigungen und Beschimpfungen von Herrmann-Marschall. So bezeichnet Ferid Heider, ein bundesweit auftretender Imam einer unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes stehenden Einrichtung, die Islamismus-Expertin als „islamophobe und verkappte rechtsgesinnte Hetzerin“. „Sigrid Herrmann-Marschall tritt bei den AfD-Nazis auf“, behauptet Bernd S. auf der Facebook-Seite „Islam gehört zu Deutschland“. Bei auffällig vielen Personen, die nun auf Facebook gegen Herrmann-Marschall hetzen, handelt es sich um Personen aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft oder um von ihr in der Vergangenheit enttarnte Islamisten.

27. März: Unter der Überschrift „Hetzkampagne gegen Islamismus-Expertin“ berichtet NRW.direkt von der Kampagne gegen Sigrid Herrmann-Marschall. Jetzt reagiert das islamismus-kritische linke Lager mit einer Welle von Solidarität für Herrmann-Marschall. Die Düsseldorfer Leitmedien aber schweigen noch immer zu dem Skandal um den Kita-Imam.

Zwei Abgeordnete bringen den Skandal in den Landtag ein

28. März: Die fraktionslosen Landtagsabgeordneten Alexander Langguth und Frank Neppe stellen eine Kleine Anfrage zum Kita-Imam an die Landesregierung. Unter anderem wollen Langguth und Neppe wissen, wie die Landesregierung die Tauglichkeit von Asmer U. vor dem Hintergrund seiner Facebook-Beiträge beurteilt. Auch wollen die beiden Abgeordneten wissen, wie die Landesregierung vor dem Hintergrund des Neutralitätsgebots beurteilt, dass Dirk Sauerborn den Facebook-Beitrag von Asmer U. zu Sigrid Herrmann-Marschall mit „Gefällt mir“ markiert hat. Die Landesregierung ist gesetzlich verpflichtet, die Fragen innerhalb von vier Wochen zu beurteilen. Zuständig für die Antwort ist Landesinnenminister Herbert Reul (CDU).

1. April: Ein von Aiman Mazyek mitgegründetes Online-Portal übernimmt den Schmäh-Beitrag des Blogs „Wehrt dem Hass“. Damit nimmt die Hetzkampagne im Internet gegen Sigrid Herrmann-Marschall erneut an Fahrt auf.

2. April: Sylvia Pantel verurteilt die Hetzkampagne in einem längeren Beitrag auf ihrer Facebook-Seite. „Da frage ich mich, was hier eigentlich passiert? Soll vielleicht von dem eigentlichen Problem, nämlich dass der KDDM einen Imam in einen christlichen Kindergarten entsendet, der öffentlich sichtbar Extremisten gut gefunden und deren Inhalte verbreitet hat, abgelenkt werden?“, schreibt Pantel. „Mich enttäuscht auch, dass die großen Düsseldorfer Medien bis jetzt mit keinem einzigen Wort über diesen Skandal berichtet haben. Auch finde ich es bedrückend, dass sich bislang weder der KDDM noch die Diakonie dazu geäußert haben.“ Dass Herrmann-Marschall im Januar bei der Landtags-Anhörung zur Ahmadiyya-Gemeinde kurzfristig für die erkrankte und ursprünglich von der AfD benannte Sachverständige eingesprungen ist, bezeichnet Pantel als „richtig“. Die Bundestagsabgeordnete begründet das damit, dass sie das Frauenbild dieser Gemeinde ebenfalls „sehr kritisch“ sehe.

CDU-Politikerin spricht von „naiver einseitiger Berichterstattung“

5. April: Nach Wochen des Schweigens berichten Rheinische Post (RP) und Westdeutsche Zeitung (WZ) erstmals über die Vorgänge um Asmer U. Dabei wird sofort hervorgehoben, dass sich die Diakonie hinter den Imam stellt und an dem Projekt festhält. Der Imam habe „glaubhaft versichert“, fundamentalistische Ansichten nicht zu teilen, sondern aktiv in der Präventionsarbeit gegen Extremismus zu sein, lautet die Begründung. Obwohl die Jüdische Gemeinde gar nicht in das Projekt involviert ist, stellt sich auch deren Verwaltungsdirektor Michael Szentei-Heise hinter den Imam. Die anti-israelischen Schmäh-Karikaturen sehe er „ganz entspannt“, sagt er. „Bei den Karikaturen gehe es nicht um Antisemitismus, sondern eher um israelische Regierungspolitik“, meint Szentei-Heise. Außerdem habe er den Eindruck, „es solle etwas aufgebauscht werden, um den Muslimen zu schaden“.

Vom Kreis der Muslime heißt es, „wie erwartet“ scheuten AfD-nahe und islamfeindliche Kreise keine Mühen, „zu denunzieren, zu diskreditieren, zu verunglimpfen und zu bedrohen“, so die RP weiter. Beide Zeitungen geben die von Herrmann-Marschall auf der Facebook-Seite von Asmer U. gefunden Beiträge nur unvollständig wieder, so werden etwa Salafisten-Postings verschwiegen. Die RP schreibt von „dünnen Vorwürfen“ gegen Asmer U., „die nur deshalb solche Kreise ziehen, weil dahinter die grundsätzliche Ablehnung des Projekts steht“.

Sigrid Herrmann-Marschall wurde von beiden Zeitungen vor deren Veröffentlichung die Möglichkeit einer Stellungnahme verwehrt. Außerdem wird die Islamismus-Expertin von beiden Blättern als „Islam-Kritikerin“ diffamiert. Der RP gelingt es nicht einmal, ihren Namen richtig zu schreiben. Die WZ versteigt sich gar zu der falschen Darstellung, Herrmann-Marschall sei eine „Ex-SPD-Frau“. Sylvia Pantel bezeichnet die Zeitungsartikel enttäuscht als „naive einseitige Berichterstattung“. Herrmann-Marschall kündigt an, den Presserat einzuschalten.

Herrmann-Marschall wirft der WZ „unverfrorene Manipulation“ vor

8. April: Die WZ ändert ihren Artikel vom 5. April nachträglich ab, allerdings ohne dies gegenüber dem Leser kenntlich zu machen. Jetzt wird Sigrid Herrmann-Marschall nicht mehr namentlich genannt, sondern nur noch anonym als „Islam-Kritikerin“ bezeichnet. Außerdem gibt die WZ den Sachverhalt in unwahrer Form wieder: „Als Belege dienten allerdings lediglich geteilte Posts bei Facebook gegen militärische Aktionen Israels im Gaza-Streifen oder ein Foto des Imams mit einem verschleierten Mädchen.“

Dass es sich bei den Posts in Wahrheit um bösartige anti-israelische und damit auch antisemitische Karikaturen handelt, wird ebenso verschwiegen, wie von Asmer U. geteilte Salafisten-Beiträge oder Inhalte eines radikalen bosnischen Portals. „Wie unverfroren hier manipuliert wird, um sich schützend vor einen offenbar radikal-fundamentalistischen Imam zu stellen, ist beängstigend“, schreibt Herrmann-Marschall dazu auf ihrer Facebook-Seite.

„Hier werden Fakten verdreht, um Stimmung zu machen“

9. April: In ihrer bei NRW.direkt veröffentlichten Kolumne reagiert Sylvia Pantel mit Unverständnis auf die Haltungen der Diakonie und der Jüdischen Gemeinde. Besonders hart geht sie dabei mit dem Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde ins Gericht: „Dabei sollte Michael Szentei-Heise eigentlich wissen, dass moderner Judenhass längst in Gestalt sogenannter Israel-Kritik auftritt. Dass er diese Art der Israel-Kritik mit seiner Verharmlosung auch noch billigt, ist für einen jüdischen Vertreter jüdischer Interessen sehr ungewöhnlich und nicht nur für mich mehr als unverständlich“, schreibt sie. „Noch entlarvender aber ist seine Aussage, er habe den Eindruck, es solle etwas aufgebauscht werden, um den Muslimen zu schaden. Damit bedient er sich einer gerade unter Linken sehr populären Methode, nach der jeder, der sich mit Islamismus befasst oder gar davor warnt, zum Islamfeind oder Muslimhasser abgestempelt wird. Hier werden Fakten verdreht, um Stimmung zu machen.“

Diese „groteske Logik“ bezeichnet Sylvia Pantel als „eine Absage an unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, die ich von einem offiziellen Vertreter einer Jüdischen Gemeinde so nicht erwartet hätte. Denn wenn wir unseren freiheitlichen und demokratischen Werten treu bleiben wollen, dürfen wir Islamismus ebenso wenig tolerieren wie Rechts- und Linksextremismus.“ Auch berichtet die CDU-Politikerin davon, dass sie sich die Facebook-Beiträge von Sigrid Herrmann-Marschall habe zeigen lassen: „In meinen Augen sind diese Beiträge klar extremistisch, weshalb ich die Formulierung ‚dünne Vorwürfe‘ nicht mehr nachvollziehen kann. Da frage ich mich schon, ob sich all jene, die den Imam jetzt in Schutz nehmen, dessen Facebook-Beiträge überhaupt angesehen haben?“

Print Friendly, PDF & Email