Italien droht mit einer Schuldenerhöhung. Griechenland möchte eine weitere Schuldenstreckung. Inzwischen steigen die deutschen Target-II-Salden auf über 950 Milliarden Euro. Ein Ausstieg Italiens könnte den deutschen Steuerzahler über 120 Milliarden kosten. Wie weit darf sich Deutschland erpressen lassen? Eine Kolumne von Christian Loose.

Christian Loose
Die sogenannten Target-II-Salden Deutschlands erreichten im Mai 2018 mit 956 Milliarden Euro ihren Höchstwert. Rechnerisch entfallen auf die Bürger Nordrhein-Westfalens 200 Milliarden Euro. Es handelt sich dabei um Forderungen der deutschen Notenbank gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB). Italien hat im Gegenzug Verbindlichkeiten von rund 465 Milliarden Euro gegenüber der EZB. Doch ist das überhaupt ein Problem? Um das beurteilen zu können, muss man zunächst wissen, wie das Target-System überhaupt funktioniert.
Machen wir dazu ein kleines Beispiel aus der Realwirtschaft: Ein Maschinenhersteller aus dem Sauerland will eine Maschine an eine griechische Firma aus Athen verkaufen. Die Maschine kostet 1.000 Euro. Der griechische Importeur hat aber leider kein Geld und geht deshalb mit der Bitte um einen Kredit zu seiner Hausbank. Die griechische Hausbank wendet sich ihrerseits an ihre griechische Notenbank. Die griechische Notenbank geht nun auf die EZB zu und teilt dieser mit, dass die deutsche Notenbank bitte 1.000 Euro an den deutschen Exporteur überweisen soll. Und genau das passiert dann. Die deutsche Notenbank zahlt die 1.000 Euro an die deutsche Hausbank und diese zahlt dem deutschen Exporteur das Geld aus.
Deutsche Notenbank zahlt dem Griechen die deutsche Maschine
Damit hat die deutsche Notenbank die Ware für den griechischen Importeur bezahlt. Der Maschinenhersteller aus dem Sauerland ist glücklich, denn er hat die 1.000 Euro bekommen. Die griechische Firma ist ebenfalls höchst zufrieden, denn sie erhält jetzt die Maschine.
Die Gesamtbilanz sieht jetzt so aus: Die deutsche Notenbank hat nun eine Forderung von 1.000 Euro gegenüber der EZB und diese hat wiederum eine Forderung gegenüber der griechischen Notenbank.
Forderungen ohne Sicherheiten, Zins und Recht auf Rückzahlung
Für alle diese Forderungen gibt es keine Sicherheiten. Außerdem sind die Forderungen und Verbindlichkeiten zeitlich unbefristet und es werden keinerlei Zinsen gutgeschrieben oder verlangt. Das heißt: Griechenland hat seine Wirtschaft mit zinslosen, ungesicherten und zeitlich unbefristeten Krediten ausgestattet. Das gilt auch für die anderen Südländer, die reichlich Kredite angesammelt haben. So stehen Italien mit 465 und Spanien mit 367 Milliarden Euro bei der EZB in der Kreide.
Neben den realwirtschaftlichen Geschäften wie dem Verkauf oder Kauf einer Maschine gibt es auch Finanzgeschäfte, die den Target-II-Saldo nach oben treiben. So legen etwa Italiener ihr Geld bei einer deutschen Geschäftsbank an und ziehen ihr Geld von den italienischen Banken ab, da diese eine Bankenkrise in Italien fürchten. Auch diese Geschäfte werden über das Target-System abgewickelt.
Südländer nicht wettbewerbsfähig und Schuldenmeister
Die Südländer sind aufgrund des starken Euros nicht wettbewerbsfähig. Eine Abwertung, wie von solchen Ländern in den 80er- und 90er-Jahren immer wieder vollzogen, ist bei einer gemeinsamen Währung nicht mehr möglich. In Griechenland stellen die Unternehmen deshalb kaum noch neue Arbeiter ein und die Jugendarbeitslosigkeit liegt immer noch auf einem bedrohlichen Niveau von 46 Prozent. In Spanien und Italien liegen die Quoten bei 34 sowie 33 Prozent. In diesen Ländern verliert eine ganze Generation dank des Euro ihre Zukunft.
Bei den Top 5 der Schuldenmacher im Euro-Raum finden sich vier Südländer. Griechenland liegt mit einer Verschuldung von 178 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an der Spitze. Italien folgt mit 132 und Spanien liegt bei 98 Prozent. Dabei sind die Target-II-Salden in dieser Statistik noch nicht mal enthalten – damit läge Italien bereits bei einer Verschuldung von 160 Prozent. Die Maastrichter Kriterien erlauben aber lediglich eine Verschuldung von 60 Prozent des BIP. Bei mehrfachem Verstoß drohen Geldstrafen bis zu 0,5 Prozent des BIP. Zu solchen Strafzahlungen ist es jedoch noch nie gekommen. Italien droht im Gegenzug nun sogar noch mit einer Ausweitung der Verschuldung und möchte sogar die Steuern senken.
Erpressung durch Italien
Sollten die anderen Euro-Länder dem Druck Italiens nicht nachgeben, droht das Land mehr oder weniger direkt mit dem Ausstieg aus dem Euro oder der EU. Und wenn Italien aus dem Euro aussteigt, wird die dann folgende Landeswährung deutlich abwerten. Die Italiener wären dann zwar langfristig wettbewerbsfähig, könnten aber die enormen Schulden, inklusive der Target-II-Schulden, nicht mehr tilgen. Der EZB droht ein Totalausfall Italiens und damit ein Verlust von 465 Milliarden Euro. Deutschland ist mit 27 Prozent an der EZB beteiligt. Damit wären die deutschen Bürger mit mehr als 120 Milliarden Euro beteiligt. Auf die Bürger Nordrhein-Westfalens entfiele damit ein Betrag von mehr als 25 Milliarden Euro.
Die Italiener wissen um unsere Angst und versuchen, Deutschland damit zu erpressen. Entweder lassen wir eine höhere Verschuldung zu oder Italien steigt aus. Doch diese Angst darf nicht lähmen. Das Geld ist ohnehin verloren und wenn wir weiter nachgeben, sind es nicht mehr 120 Milliarden Euro für Deutschland, sondern bald 150 oder gar 200 Milliarden.
Deutschland verkraftet einen Ausstieg Italiens
Deutschland sollte gegenüber der Erpressung Italiens hart bleiben. Nur so kann ein Signal an die anderen Südländer gehen. Wer jährlich 25 Milliarden Euro EEG-Kosten für die nächsten 20 Jahre schultern kann, wer jährlich 20 Milliarden Euro für die Asylbewerber für die nächsten 15 Jahre schultern kann, der kann auch einen Austritt Italiens aus dem Euro verkraften. Fangen wir an, für die deutschen Tugenden in Europa zu kämpfen: Fleiß, Ehrlichkeit und Standfestigkeit.
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