Bochum. Weil ihm in seiner Heimat Tunesien angeblich Folter drohe, konnte der als Gefährder eingestufte Sami A. bis heute nicht abgeschoben werden. Am Montag kam heraus, dass A., dem auch vorgeworfen wird, Osama bin Laden einst als Leibwächter gedient zu haben, monatlich 1.167,84 Euro an Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezieht.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Bild: NRW.direkt)
Kein anderer Gefährder dürfte die Landesregierung jemals so in Verlegenheit gebracht haben, wie der heute 41-jährige Sami A., den die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) im August 2012 als den „netten Nachbarn aus dem Terror-Camp“ bezeichnet hatte. Die Recherchen der WAZ hatten damals hervorgebracht, dass der Tunesier Terror-Chef Osama bin Laden einst als Leibwächter gedient und später damit begonnen haben soll, in Bochum Jihadisten zu rekrutieren. Weiter berichte die WAZ 2012, dass Sami A. weltweit vernetzt sei; so kenne er Terroristen persönlich, denen führende Rollen bei den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA und dem Attentat auf die Synagoge der Ferieninsel Djerba 2002 zugeschrieben werden. Sami A. bestritt die Darstellung der WAZ.
Ermittler aber bezeichneten ihn bereits damals als „den Dreh- und Angelpunkt der islamistischen Terror-Szene an der Ruhr“. Auch Sicherheitskreise in Berlin meldeten sich 2012 zu Wort und bezeichneten es als „Offenbarungseid“ der nordrhein-westfälischen Behörden, „dass ein Salafist mit dieser Vergangenheit ungehindert Terrorfäden zieht“. Daraufhin meldete sich auch der heutige Landesjustizminister Peter Biesenbach (CDU) mit Kritik zu Wort, womit der damalige Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) mehr und mehr unter Druck geriet. Jäger blieb nichts anderes übrig, als darauf zu verweisen, dass A. nicht nach Tunesien abgeschoben werden könne, weil ihm dort Folter drohe.
Verwaltungsgericht entscheidet gegen Abschiebung
Geändert hat sich seitdem nichts. Obwohl der Landesverfassungsschutz zwischenzeitlich darauf hingewiesen hatte, dass Sami A. „eine akute erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ darstelle, scheiterte die Stadt Bochum mehrfach mit dem Versuch, ihn abschieben zu lassen. Zuletzt klagte Sami A. vor dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen gegen eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, den Abschiebe-Stopp nach Tunesien aufzuheben. Das Gericht gab ihm im Juni 2016 recht und entschied, dass Sami A. auch weiterhin nicht nach Tunesien abgeschoben werden dürfe. „Es kommt in Tunesien noch immer zu systematischen Übergriffen bei festgenommen Menschen oder denen, die verhört werden“, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Damit konnte der Tunesier bis heute in Bochum bleiben.
Aber auch nach diesem Urteil blieb im Dunkeln, in welchem Umfang Sami A. staatliche Leistungen bezogen hat. Die bislang letzte dazu bekannte Zahl stammt aus dem Jahr 2012, als das Landesinnenministerium auf eine Nachfrage mitteilen musste, der Tunesier habe zwischen Februar 2008 und August 2012 insgesamt 19.987,21 Euro Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten. Diese Summe dürfte sich aber inzwischen stark erhöht haben: In einer am Montag veröffentlichten Antwort des Landesintegrationsministeriums auf eine Nachfrage der AfD-Fraktion wurde mitgeteilt, dass „die aktuell von Herrn A. in Anspruch genommenen Hilfeleistungen nach dem AsylbLG monatlich 1.167,84 betragen“.