Mönchengladbach. Auf ein vereinsrechtliches Verfahren und die damit verbundenen Durchsuchungen im November 2018 reagierte der Moschee-Verein Masjid Arrahman mit einer erneuten Distanzierung von Extremisten. Recherchen von Sigrid Herrmann-Marschall über die Auftritte einschlägig bekannter Prediger zeichnen jedoch ein anderes Bild. „Diese Events geben eine Vorstellung davon, wes‘ Geistes Kind der Vorstand ist“, meint die Islamismus-Expertin.
Am 13. November 2018 durchsuchten rund 250 Polizisten die Räume des Islamischen Kulturverein Masjid Arrahman in Mönchengladbach-Rheydt sowie 15 Wohnungen von Vereinsmitgliedern. Die Durchsuchungen waren Teil von vereinsrechtlichen Ermittlungen des Landesinnenministeriums. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden ist der Verein Anlaufstelle für zahlreiche Personen aus dem salafistischen und islamistischen Spektrum. „Die sichergestellten Gegenstände und Unterlagen werden jetzt sorgfältig ausgewertet. Wenn wir dabei genügend Beweise bekommen und ein Verbot nach dem Vereinsgesetz möglich ist, werden wir den Verein verbieten“, sagte Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) an diesem Tag.
Neu waren diese Verdachtsmomente jedoch nicht. Bereits 2012 wurde der marokkanische Verein mit Salafisten in Verbindung gebracht. Und schon damals wurden solche Bezüge vom Vorstand des Masjid-Arrahman-Vereins dementiert. Dabei verwies der Verein darauf, dass Salafisten-Prediger wie Pierre Vogel und der ehemalige Mönchengladbacher Salafisten-Chef Sven Lau in seiner Moschee Hausverbot hätten. Lediglich jüngere „Mitläufer“ der Salafisten seien in der Masjid-Arrahman-Moschee zum Zwecke der „Re-Integrierung“ willkommen.
Moschee-Bau der Öffentlichkeit zunächst verheimlicht
Trotzdem wurde der Bau einer neuen, spendenfinanzierten und mehr als 1.600 Quadratmeter große Moschee mit einer 17 Meter hohen Kuppel der Öffentlichkeit von Seiten der Stadt lange verborgen. Damit blieb der Aushub der Baugrube Ende 2016 zunächst weitestgehend unbemerkt. Die Mönchengladbacher Öffentlichkeit erfuhr erst durch einen Artikel der Rheinischen Post von dem Bauvorhaben. Das Freitagsgebet in der bisherigen Masjid-Arrahman-Moschee wird von bis zu 800 Gläubigen besucht.
Und auch nach den Durchsuchungen im November 2018 wiederholte der Verein seine Distanzierung von Islamisten: „Der Verein und die ganze muslimische Gemeinschaft in Mönchengladbach haben sich in der Vergangenheit – und werden es auch in Zukunft – immer wieder ganz klar gegen Terrorismus, Fanatismus und religiöse Gewalt positioniert. Dieses Statement möchten wir hiermit noch mal wiederholen und uns ganz klar von jeglicher Form von Gewalt und Extremismus distanzieren. Solche Ideologien wurden und werden zu keiner Zeit geduldet. Personen, die sich diesen Ideologien anschließen, sind in unserer Gemeinde und insbesondere in unserem Verein nicht willkommen. Der Verein hat bereits in der Vergangenheit auffälligen Personen nach Bekanntwerden der Tatbestände Hausverbote erteilt und wird diese Praxis auch in Zukunft fortführen. Personen, die Hetze und Intoleranz gegenüber Andersgläubigen verbreiten, werden in unserer Gemeinde nicht geduldet. Daher ist für uns eine Zusammenarbeit mit den Behörden von essentieller Bedeutung“, hieß es in einer im Internet veröffentlichten Erklärung. Das vereinsrechtliche Verfahren wurde darin mit „großem Entsetzen zur Kenntnis genommen“.
Mutmaßlicher IS-Unterstützer kam nach Mönchengladbach
Neue Recherchen der Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall werfen an dieser Darstellung jedoch Zweifel auf: So hat es am 29. Dezember 2012 in Mönchengladbach einen Vortrag des marokkanischstämmigen Predigers Tarik Ibn Ali gegeben, der durch entsprechende YouTube-Videos belegt ist. Das teilte Herrmann-Marschall am Freitag mit.
Gegen Ibn Ali läuft in Spanien noch ein Ermittlungsverfahren wegen Unterstützung der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS). Nach etwa anderthalb Jahren Untersuchungshaft kam er Anfang Januar auf Kaution frei. Außerdem ist er für seine Spendensammel-Events, die überwiegend in den Problem-Moscheen marokkanischstämmiger Muslime stattfinden, europaweit bekannt.
Zwar verwies Herrmann-Marschall darauf, dass in der Beschreibung der Videos nur von Mönchengladbach die Rede ist und keine Zuordnung der Einrichtung vorgenommen wurde. Eine entsprechende Anfrage von ihr beim Landesverfassungsschutz wurde mit Verweis auf das „laufende vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren“ nicht beantwortet. „Nach kurzer Sichtung der lokalen Szene erscheint es aber naheliegend, dass für einen solchen Auftritt nur die Masjid-Arrahman vorrangig in Betracht kommt“, lautete ihre Schlussfolgerung.
Weitere Hassprediger in der Moschee?
Einen anderen Auftritt fragwürdiger Prediger konnte Sigrid Herrmann-Marschall jedoch auch abschließend belegen: Dabei geht es um ein Seminar, das am 26. Dezember 2013 in der Masjid-Arrahman-Moschee stattgefunden hat und in den sozialen Medien entsprechend angekündigt wurde. Daran haben laut Ankündigung auch Abul Baraa und Abu Rumaisa teilgenommen.
Abu Rumaisa ist seit Jahren „einschlägig auffällig“, erläuterte Herrmann-Marschall. Auch wird er im aktuellen Lagebild Salafismus des Landesinnenministeriums genannt. Abul Baraa sei spätestens seit der im Oktober 2018 ausgestrahlten ZDF-Dokumentation „Hass aus der Moschee“ bundesweit bekannt. Baraa sitze in Berlin und hatte die As-Sahaba-Moschee zusammen mit Reda Seyam gegründet. Seyam ist ein bekannter Jihadist, der 2013 zur Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) ging und dort als „Bildungsminister“ fungierte. Baraa predige maximale Distanz zu den „Ungläubigen“, so die Islamismus-Expertin weiter. Die weibliche Genitalverstümmelung billige er öffentlich und gebe dazu Ratschläge.
„Diese beiden Events geben eine Vorstellung davon, wes‘ Geistes Kind der Vorstand ist und wie sich das darstellt, wenn die Augen der Mehrheitsgesellschaft nicht darauf gerichtet sind“, lautete das Fazit von Sigrid Herrmann-Marschall. Dabei wies sie darauf hin, dass Vereinsregisterauszügen entnommen werden kann, dass der Vereinsvorstand zwischen 2012 und 2018 überwiegend mit denselben Personen besetzt war. „In Mönchengladbach sollte man also konkret besprechen, ob man da nicht mehr machen kann. Auch wenn es so kommen sollte: Verbotsverfahren können lange dauern. Man sollte die Bevölkerung sowie insbesondere Eltern und Lehrer nicht so lange im Unklaren lassen. Sie haben den Wunsch und den Anspruch, realitätsnah informiert zu werden. Wird nämlich nichts unternommen, bekommt eben die nächste Generation solche Einrichtungen als Hypothek in die Stadt. Wenn jetzt schon den eigenen Angaben nach 800 Personen dorthin gehen, wie viele mögen es erst in zehn Jahren sein?“
Bild: Die Baustelle der neuen Masjid-Arrahman-Moschee. Bildrechte: NRW.direkt