Bergisches Land Politik

Simon Wiesenthal Center kritisiert Bergisch Gladbacher Bürgermeister

Bergisch Gladbach. Wegen seiner Verweigerung eines Anti-BDS-Beschlusses wurde Bürgermeister Lutz Urbach vom Simon Wiesenthal Center scharf angegriffen. „Ich habe Yad Vashem und Auschwitz besucht“, verteidigte sich der CDU-Politiker gegen den Vorwurf, er würde Antisemiten unterstützen. „Das sollte das Thema einer inhaltlichen Auseinandersetzung in unserer Stadt sein“, fordert Petra Hemming, Vorsitzende des pro-israelischen Ganey-Tikva-Vereins.

Petra Hemming (Bild: NRW.direkt)

Wie bereits berichtet, hat der Stadtrat in Bergisch Gladbach am 18. Dezember einen vom Ganey-Tikva-Verein (GTV) angeregten Beschluss gegen die als antisemitisch eingestufte BDS-Bewegung mehrheitlich abgelehnt. Laut dem Bürgerportal Bergisch Gladbach hatten CDU, SPD und Teile der Grünen dagegen gestimmt. BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“ (Boykott, Desinvestition und Sanktionen). Die Bewegung entstand 2005 durch palästinensische Organisationen und Gruppen, die sich das Modell des langjährigen Boykotts der arabischen Liga gegen Israel zum Vorbild gemacht hatten.

Ziel dieser von vielen Politikern als antisemitisch eingestuften Kampagne ist die wirtschaftliche, politische und kulturelle Isolation Israels. In Deutschland hatte die BDS-Bewegung zunächst mit einer Kampagne gegen israelischen Waren begonnen. Boykottaufrufe für israelische Produkte führten schnell dazu, dass sich viele Menschen an die Nazi-Kampagne „Kauft nicht bei Juden“ erinnert fühlten.

Keine weitere Zusammenarbeit wegen Antisemitismus-Bekämpfung?

Der GTV war in Bergisch Gladbach ursprünglich für die Aktivitäten rund um die Städtepartnerschaft mit der israelischen Stadt Ganey Tikva zuständig. Im Juli 2018 hatte Lutz Urbach jedoch entschieden, dass die Stadt mit den Vertretern des Vereins nicht mehr zusammenarbeitet und alle Aktivitäten im Zusammenhang mit der Städtepartnerschaft wieder ins Bürgermeisterbüro zurückgeholt werden. In einem Interview begründete der CDU-Politiker das damit, dass der Ganey-Tikva-Verein „seinen Fokus auf die Bekämpfung von Antisemitismus gelegt“ habe und „verstärkt Positionen einer radikalen Israel-Politik“ verfolge.

Hintergrund war die Kritik des Vereins an dem für die Städtepartnerschaft mit der in der Westbank liegenden Stadt Beit Jala zuständigen Verein. Hinzu kam, dass Petra Hemming, Vorsitzende des Ganey-Tikva-Vereins, angekündigt hatte, dieser wolle sich zukünftig auch dem wachsenden Antisemitismus widmen. Trotz des zerrütteten Verhältnisses mit dem Bürgermeister setzte der Verein seine vielfältigen Aktivitäten jedoch unbeirrt fort und verzeichnete zahlreiche Neueintritte, darunter auch der bekannte israelische Publizist Arye Sharuz Shalicar. Erst am letzten Donnerstag stellte der Ganey-Tikva-Verein bei seinem Neujahrsempfang die SPD-Politikerin Michaela Engelmeier als neue Schirmherrin vor.

Bei seinem Antrag auf den Anti-BDS-Beschluss hatte sich der Verein auf einen Landtagsbeschluss vom 20. September berufen. An diesem Tag hatte das Landesparlament einstimmig beschlossen, dass Einrichtungen des Landes der BDS-Kampagne keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und keine Veranstaltungen der BDS-Bewegung oder von Gruppierungen, die die Ziele der BDS-Kampagne verfolgen, unterstützen dürfen. Auch wurden Städte, Gemeinden, Landkreise und alle öffentlichen Akteure ausdrücklich aufgerufen, sich dieser Haltung anzuschließen.

Bürgermeister sieht Stadt als „nicht zuständig“

Umso verwunderter war der Ganey-Tikva-Verein im Dezember darüber, dass die Beschlussvorlage aus dem Bürgermeisterbüro die Ablehnung des Anti-BDS-Beschlusses damit begründet hatte, die Stadt sei dafür „nicht zuständig“. Zuvor hatte sich der pro-palästinensische Städtepartnerschaftsverein Bergisch Gladbach-Beit Jala gegenüber den Fraktionen im Stadtrat zu Wort gemeldet und den vom Ganey-Tikva-Verein gewünschten Ratsbeschluss als „sehr kritisch“ bezeichnet.

Dies sei für Bergisch Gladbach nicht notwendig, da „keinerlei derartige Bestrebungen in unserer Stadt bekannt“ seien. Die vom Ganey-Tikva-Verein vorgeschlagene und an den Landtags-Beschluss angelehnte Formulierung, die Stadt dürfe „der BDS-Kampagne keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und keine Veranstaltungen der BDS-Kampagne oder von Gruppierungen, welche die Ziele der BDS-Kampagne verfolgen, unterstützen“, werde als Versuch gesehen, „die politische Meinungsfreiheit in Bergisch Gladbach einzuschränken“, hieß es in dem unserer Redaktion vorliegenden Schreiben des Beit-Jala-Städtepartnerschaftsvereins.

Im Rheinland wie auch im Rest des Landes riefen die Vorgänge in Bergisch Gladbach jedoch nur schwache Aufmerksamkeit hervor. Anders jedoch in Israel: Dort kritisierte Efraim Zuroff, Leiter des Jerusalemer Büros des Simon Wiesenthal Centers, Bürgermeister Lutz Urbach mit scharfen Worten. „Der Bürgermeister unterstützt eine Gruppe von Antisemiten, deren wirkliches Ziel nicht die Beendigung der Besatzung ist, sondern dem jüdischen Staat im Nahen Osten die Anerkennung zu verweigern“, zitierte die Jerusalem Post (JP) Zuroff am Montag vor einer Woche. „Der Bürgermeister ist nicht wirklich informiert und hat die falschen Darstellungen der Araber übernommen“, sagte Zuroff weiter und forderte, der Stadtrat in Bergische Gladbach solle den Anti-BDS-Beschluss annehmen.

„Ich habe Yad Vashem und Auschwitz besucht“

Gegenüber der Jerusalem Post wies Lutz Urbach den Vorwurf, Antisemiten zu unterstützen, zurück. „Ich habe die Gedenkstätte Yad Vashem und die KZ-Gedenkstätte Auschwitz besucht“, sagte er und kündigte an, Auschwitz in diesem Jahr auch mit seiner jungen Tochter zu besuchen. Auf die Frage der JP zur Beendigung seiner Zusammenarbeit mit dem Ganey-Tikva-Verein sagte er, der Verein hätte eine Richtung eingeschlagen, die mit den gemeinsamen Städtepartnerschaften mit Beit Jala und Ganey Tikva nicht mehr zu vereinbaren gewesen sei.

Dazu, dass andere Städte, wie etwa Köln, Partnerschaften mit israelischen Städten sowie Städten in den palästinensischen Autonomiegebieten strikt voneinander trennen, sagte Urbach nichts. Er wies jedoch gegenüber der JP darauf hin, dass er auch weiterhin mit dem Beit-Jala-Verein zusammenarbeiten werde.

„Es ist das Simon Wiesenthal Center, weltweit die wohl bedeutendste Instanz in Sachen Antisemitismus-Bekämpfung, das dem Bürgermeister von Bergisch Gladbach mangelhafte Sachkenntnis vorhält. Das sollte aus meiner Sicht das Thema einer inhaltlichen Auseinandersetzung in unserer Stadt sein“, sagte die GTV-Vorsitzende Petra Hemming unserer Redaktion am Sonntag auf Nachfrage. „Die fortwährende anti-israelische Haltung des Beit-Jala-Vereins, die sich etwa zuletzt in unsäglichen Leserbriefen zweier Mitglieder im Kölner Stadtanzeiger widergespiegelt hat, zeigt doch, wie dringend eine kritische Betrachtung dieser Gruppierung geboten ist. Und dazu braucht man sicherlich kein Nanomikroskop, wie der Bürgermeister behauptet. Dazu reicht bereits eine Lesebrille.“ (ph)

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