Düsseldorf Justiz Lau-Prozess Mönchengladbach

Unglaubwürdiger „Salafisten-Aussteiger“

Düsseldorf/Mönchengladbach. Im Lau-Prozess war am Dienstag der „Vorzeige-Aussteiger“ Dominic Schmitz als Zeuge geladen. Da er mehrfach Auseinandersetzungen, in die Sven Lau 2010 und 2011 verwickelt war, falsch wiedergab, hinterließ er jedoch keinen glaubwürdigen Eindruck.

Der 28-jährige Dominic Musa Schmitz wird auf öffentlichen Veranstaltungen und in TV-Talkshows gerne und oft als „Salafisten-Aussteiger“ präsentiert. Früher soll er Teil der Mönchengladbacher Salafisten-Szene gewesen sein. So jedenfalls wird es von den Behörden und in seinem im Februar veröffentlichten Buch „Ich war ein Salafist: Meine Zeit in der islamistischen Parallelwelt“ dargestellt. Was einzelne Mönchengladbacher Journalisten nicht wenig verwirrt hat, denn bei ihnen war er nicht als Teil dieser Szene bekannt.

Am Dienstag war Dominic Schmitz im Prozess gegen den ehemaligen Mönchengladbacher Salafisten-Chef Sven Lau als Zeuge geladen. Gegen Lau wird seit zwei Wochen vor dem 5. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgericht verhandelt. Vorgeworfen wird ihm die Unterstützung in Syrien aktiver Terror-Organisationen.

Schmitz‘ Behauptungen erinnern an Dantschkes Darstellungen

Das Wissen von Dominic Schmitz über die Auseinandersetzungen zwischen einer Mönchengladbacher Bürgerinitiative und dem ab März 2011 von Sven Lau angeführten Salafisten-Verein Einladung zum Paradies (EZP) entpuppte sich vor Gericht jedoch schnell als dürftig und in mehreren Punkten sogar als falsch. Im August 2010 gründete sich in Mönchengladbach eine Bürgerinitiative, weil sich die Bewohner des Stadtteils Eicken von den Salafisten bedroht und der örtlichen Politik im Stich gelassen fühlten. Dominic Schmitz stellte die Situation vor Gericht jedoch so dar, als hätten erst die Aktivitäten der Bürgerinitiative zur „Radikalisierung“ Sven Laus und seiner Glaubensbrüder beigetragen. Dabei verwies er darauf, dass Hassan Dabbagh und Muhamed Ciftci damals „dialogbereit“ gewesen seien.

Eine gleich doppelt falsche Darstellung: Der Leipziger Imam Hassan Dabbagh hatte nie etwas mit den Ereignissen in Mönchengladbach zu tun. Der Braunschweiger Imam Muhamed Ciftci hingegen war damals tatsächlich in Mönchengladbach aktiv und fungierte bis März 2011 als EZP-Chef. Nur zeigte er sich nicht „dialogbereit“, sondern versetzte die Menschen in der Stadt in Angst, etwa mit einem Zeitungs-Interview im August 2010, in dem er die Steinigung gerechtfertigt hatte. „Alles, was im Koran steht und uns vom Propheten überbracht wurde, ist gerecht und vernünftig. Es gibt auch keine Alternative oder bessere Lösung. Somit ist auch die Steinigung als Strafe für Ehebruch gerechtfertigt“, sagte er damals. Salafisten-Gegner stellte Ciftci mehrfach mit Nazis auf eine Stufe.

Szene-Kenner fühlten sich bei Schmitz‘ verworrenen Aussagen an die umstrittenen Theorien von Claudia Dantschke erinnert, die die von den Sicherheitsbehörden argwöhnisch beäugten Hardcore-Salafisten Dabbagh und Ciftci 2012 auf einer Veranstaltung in Solingen laut eines Teilnehmers als Salafisten dargestellt haben soll, mit denen ein Dialog geführt werden sollte. Claudia Dantschke ist im Bereich sogenannter Aussteigerprogramme tätig und wird in den Medien als Expertin gehandelt. Die Mönchengladbacher Vorgänge verfolgte und kommentierte sie jedoch nur aus der Distanz. Als Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Dezember 2010 ein Verbotsverfahren gegen EZP einleitete, sprach sich Dantschke sofort dagegen aus.

Unglaubliches Nicht-Wissen

Auch Schmitz‘ Darstellung eines Angriffs der Salafisten auf den Chef der Bürgerinitiative im Juni 2011 war nur teilweise richtig. Seine Darstellung, „ein Skateboard sei in die Moschee geflogen“, war offenbar frei erfunden, keinem der damals in Mönchengladbach tätigen Journalisten war ein solcher Vorgang bekannt. Auch in der damaligen Salafisten-Propaganda, in der 2011 mehrfach vermeintliche Attacken der Bürgerinitiative konstruiert wurden, gab es keinen solchen Vorfall. Sein Wissen über den Brand in der Salafisten-Moschee im Juni 2011, bei dem Lau später in Verdacht geriet, diesen selbst gelegt zu haben, war ebenfalls auffällig dürftig. Auch fiel auf, dass Schmitz bei keinem der von ihm geschilderten Ereignisse einen Zeitpunkt angab. Ein fast unglaubliches Nicht-Wissen, denn Dominic Schmitz soll aus Mönchengladbach stammen – und die dortige Lokalpresse berichtete 2010 sowie 2011 fast täglich über den Konflikt zwischen den Salafisten und der Bürgerinitiative.

Als es um die 2014 in Wuppertal von Sven Lau angeführte „Scharia-Polizei“ und um dessen Reisen nach Syrien ging, wurden Schmitz‘ Aussagen jedoch klarer. Bei der Scharia-Polizei räumte er ein, davon „nur aus dem Internet zu wissen“. Angesprochen auf die Darstellungen in seinem Buch zu einer Syrien-Reise von Sven Lau, gab er zu, dass dieser Teil des Buchs von einem „Ghostwriter“ geschrieben wurde, der „da sein Journalisten-Wissen hereingepackt hat“.

Günals Fragen bringen Schmitz in Verlegenheit

Nachdem Laus Anwalt, der bekannte Bonner Strafverteidiger Mutlu Günal, Schmitz befragen durfte, räumte dieser ein, teilweise von den Honoraren für sein Buch zu leben. Er bestritt jedoch, vom Verfassungsschutz Geld zu bekommen. Dafür räumte er plötzlich ehrlich ein, wer der „Ghostwriter“ seines Buchs war: ein Redakteur des Nachrichtenmagazins FOCUS. Und nachdem Günal weiter bohrte, erzählte Dominic Schmitz auch, wer ihn 2015 davon überzeugt hatte, das Buch fertigzustellen: Claudia Dantschke.

Turbulent wurde es, als Mutlu Günal den vermeintlichen Aussteiger zu dessen sexuellen Neigungen befragte. Offenbar wollte sich der Salafisten-Anwalt nicht mit dessen dürftiger Darstellung begnügen, zum Bruch mit Lau sei es auf einer Pilger-Reise nach Mekka gekommen. Dort sei er von Sven Lau enttäuscht gewesen, er habe sich die gemeinsame Zeit mit ihm anders vorgestellt. Mit Günals Neugier stand plötzlich die Frage im Raum, ob damit enttäuschte homosexuelle Neigungen gemeint waren. Dominic Schmitz reagierte verlegen und seine Anwältin beanstandete mehrfach Günals Fragen. Glaubwürdig widerlegt wurde der Verdacht nicht; eine plausible Erklärung, warum er von Lau auf dieser Reise so enttäuscht war, blieb Schmitz damit auch weiterhin schuldig.

Wo lange war Schmitz Teil der Szene?

Nach dieser bizarren Zeugenvernehmung steht die Frage im Raum, wie lange Dominic Schmitz Teil der Mönchengladbacher Salafisten-Szene gewesen sein soll. Dass er Sven Lau 2005 kurz nach seiner Konvertierung zum Islam in einer Moschee im Stadtteil Rheydt kennengelernt hat, dürfte der Wahrheit entsprechen. Dass er tatsächlich kurzzeitig Teil der Szene war, legt die gemeinsame Pilger-Reise nahe. Auch die kurze Auseinandersetzung, die sich Lau und Schmitz am Dienstag vor Gericht lieferten, spricht dafür. Aber spätestens im Herbst 2010 musste Dominic Schmitz die Szene längst wieder verlassen haben – anders kann sein unzureichendes Wissen über den weiteren Verlauf der Dinge logisch nicht erklärt werden. Die offizielle Darstellung, er sei Laus „rechte Hand“ gewesen und erst 2013 endgültig aus der Szene ausgestiegen, dürfte nach diesem Auftritt nicht mehr zu halten sein.

Die Vernehmung von Dominic Schmitz soll am 4. Oktober fortgesetzt werden. Möglicherweise klärt sich dann auch die Frage, welcher Teil seiner Darstellungen wirklich von ihm stammt. Die Ähnlichkeit seiner wenig zutreffenden Darstellungen zu denen der Mönchengladbach-unkundigen Claudia Dantschke legt jedenfalls eine andere Vermutung nahe. Dass ein nicht unwesentlicher Teil seines Buches in Wahrheit von einem FOCUS-Redakteur stammt, hat sich ja bereits geklärt. Und dass sich die Anklage mit der Ladung eines so unglaubwürdigen Zeugen keinen Gefallen getan hat, auch.

Bild: Sven Laus „Zam Zam Shop“ war bis 2011 einer der Treffpunkte der Mönchengladbacher Salafisten-Szene. Bildrechte: NRW.direkt

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Über den Autor

Peter Hemmelrath

Herausgeber von NRW.direkt seit Dezember 2015.