Kolumnen Politik

Zehn Jahre Finanzkrise und nichts daraus gelernt?

Vor zehn Jahren kam es zu einer weltweiten Finanzkrise. Grund waren riskante Geschäfte der Banken und deren unzureichende Kapitaldeckung. Auch Länder wie Griechenland oder Portugal standen kurz vor der Insolvenz. Wie sieht die Lage heute aus und was haben die Banken und die Politiker daraus gelernt? Eine Kolumne von Christian Loose.

Christian Loose

Die Finanzkrise bahnte sich 2008 mit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Investment-Bank Lehman Brothers ihren Weg in die Welt. Im Jahr 2008 brach der deutsche Aktienindex DAX von 7.900 auf 4.300 Punkte ein – ein Minus von 45 Prozent. Der amerikanische Aktienindex Dow Jones brach von 13.000 auf 7.500 Punkte ein – ein Minus von 42 Prozent. Aber nicht nur die Aktionäre hatten Verluste zu erleiden. Auch die in Düsseldorf ansässige WestLB musste 2008 aufgrund riskanter Geschäfte Milliarden abschreiben. Noch heute bestehen für den Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen enorme Risiken aufgrund der damaligen Geschäfte der WestLB.

Seit 2008 mussten zahlreiche Länder in der Euro-Zone Unterstützungskredite erhalten. Eine der Begründungen lautete damals: Solange es kein Insolvenzrecht für Staaten gibt, könne man Länder wie Griechenland nicht Pleite gehen lassen. Die Rettung dieser Länder kam damals vor allem den Inhabern der Banken zugute, führte jedoch zu keinen Entlastungen ihrer einfachen Bürger.

Durch die Finanzkrise hatte sich auch offenbart, dass zahlreiche Städte mit riskanten Finanzspekulationen gezockt haben. So hatten sich beispielsweise die Städte Essen und Bochum mit Fremdwährungskrediten in Schweizer Franken finanziert. Durch die Abwertung des Euros gegenüber dem Schweizer Franken führte das jedoch zu Verlusten in Millionenhöhe.

Haben die Banken aus der Krise gelernt?

Zehn Jahre nach der Krise fragen sich die Bürger nun: Was haben die Akteure daraus gelernt? Die Europäische Zentralbank (EZB) hat tatsächlich die Eigenkapitalregelungen für die Banken in der EU verschärft. Das ist höchst erfreulich. Im Durchschnitt seien die Banken gut gerüstet, urteilt die EZB, während allerdings einige davon auf einen Anstieg der Zinsen zu wenig vorbereitet seien und sich zu riskanten Wetten hinreißen ließen. Auf den ersten Blick scheint also alles gut. Es sind nur wenige Problemfälle. Allerdings muss man klar darlegen, dass 2008 nicht alle Banken gezockt haben. Es waren einige wenige, die aber durch die Verflechtungen mit anderen Banken diese mit in Schieflage gebracht haben.

Das Wichtigste ist somit nicht die Eigenkapitalausstattung. Zentral ist es, die Auswirkungen der Verflechtungen zu reduzieren. Und hier ist die Politik gefragt: Allen Akteuren muss klar gemacht werden, dass man keine Banken retten wird, sondern lediglich die Guthaben der Sparer. Aktionäre kennen das Risiko und müssen im Fall einer drohenden Insolvenz auch mit den Verlustrisiken leben. Solange die Politiker aber die Aktionäre nicht in die Pflicht nehmen, besteht wieder das Risiko, dass bei einer Finanzkrise die Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.

Und inzwischen ist die EZB selbst zur größten Gefahr innerhalb der Bankengruppe geworden. Denn die EZB hat seit der Finanzkrise Unternehmensanleihen im Wert von 2.500 Milliarden Euro angehäuft. Aus Sicht vieler Experten eine tickende Zeitbombe.

Haben die Kommunen aus der Krise gelernt?

Aufgrund der Niedrigzinsphase und sprudelnder Steuereinnahmen haben die Kommunen derzeit kaum Anreize für spekulative Geschäfte. Doch diese Sicherheit kann trügen. Denn extrem viele nordrhein-westfälische Kommunen haben sich mit kurzfristigen Krediten verschuldet. Steigen die Zinsen bei einer geänderten Zinspolitik der EZB, ergeben sich hohe Risikopotentiale für die Kommunen. Denn die Kommunen haben ihre Zinsen in der Regel nicht für einen längeren Zeitraum – so wie es ein Häuslebauer macht – festgelegt, womit sie dann voll im Risiko stehen.

Begrüßenswert ist, dass einige Städte wie etwa Bochum Fremdwährungsspekulationen aus ihren Geschäftsmodell gestrichen haben. Umso verwunderlicher ist, dass dieselbe Stadt allerdings hochspekulative Geschäfte in ihrem Portfolio behalten hat, wie etwa Stillhalterpositionen bei Optionsgeschäften. Hier hört die Stadt wohl erst dann mit dem Zocken auf, wenn auch mit diesen Geschäften Millionenverluste eingetreten sind.

Auch haben einige Kommunen ein neues Geschäftsfeld entdeckt. Dabei geht es um sogenannte „Carry Trade“-Geschäfte. Dabei nehmen die Kommunen einen günstigen Kredit auf und geben diesen anschließend zu höheren Zinsen an Unternehmen weiter. Damit möchten die Kommunen ein bisschen was nebenher verdienen. Aber wenn das schief geht, dann tragen wieder die Steuerzahler die Risiken. Beängstigend ist außerdem, dass die Kommunen bei dem derzeit niedrigen Zinsniveau immer noch Schulden aufbauen. Dabei wäre jetzt die Zeit, Reserven aufzubauen und Reformen durchzuführen, um auch die nächste Hochzinsphase zu überstehen.

Haben die EU-Länder aus der Krise gelernt?

Einige EU-Länder werden immer noch über Kredite in Milliardenhöhe unterstützt. Griechenland etwa schuldet der EU und damit größtenteils Deutschland bereits mehr als 250 Milliarden Euro. Doch die Reformen in Griechenland kommen auch nach zehn Jahren nur schleppend voran. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei knapp 45 Prozent und so verliert die Jugend immer mehr ihren Mut.

Spanien und Italien machen es cleverer als Griechenland: Statt über EU-Kredite finanzieren diese Staaten ihre Geschäfte hauptsächlich über Target-II-Kredite. Italiens Target-II-Kredit stand im Juli bei 471 Milliarden Euro, Spaniens Kredit bei 403 Milliarden. Diese Kredite werden von den Ländern gewährt, die Target-II-Forderungen haben. Allen voran ist Deutschland Geldgeber mit einem Target-II-Forderungssaldo in Höhe von 913 Milliarden Euro bis Juli.

Durch die direkten Hilfen, wie etwa bei Griechenland, und den indirekten Hilfen der Target-II-Kredite ist die Verflechtung der Staaten nach der Finanzkrise noch viel stärker ausgeprägt als zu deren Zeit. Doch auch nach zehn Jahren gibt es immer noch kein geregeltes Insolvenzverfahren für die Länder in der EU. Die Risiken aus den Verflechtungen würden damit wieder voll durchschlagen – letztlich zu großem Anteil zu Lasten der deutschen Steuerzahler.

Spekulationen werden jetzt nur besser getarnt

Die weitgehend unabhängige EZB hat den Fokus nur auf die bankenaufsichtsrechtlichen Regelungen gelegt, während sie selbst ungeniert Unternehmensanleihen aufkauft und zu einem der größten Zocker in der EU geworden ist.

Die großen Probleme sind die in der EU verantwortlichen Politiker wieder nicht angegangen. So besteht immer noch kein Insolvenzrecht und die Politiker haben es zugelassen, dass sich die Verflechtungen über das Target-II-System exorbitant gesteigert haben. Und einige Politiker in den Kommunen haben zwar einen Teil ihrer Spekulationsgeschäfte eingestellt, um jedoch an anderer Stelle mit Carry-Trade-Geschäften wieder loszulegen.

Die Kolumnen von NRW.direkt geben die Meinung des jeweiligen Autors wieder. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um die Meinung unserer Redaktion handeln.

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Über den Autor

Christian Loose

Der im Münsterland geborene Christian Loose ist seit 2015 wirtschaftspolitischer Sprecher der NRW-AfD. Seit Juni 2017 ist er Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag. Der gelernte Bank- und Diplomkaufmann arbeitete acht Jahre bei einem großen Energieunternehmen und führte dort wirtschaftliche Analysen für Großprojekte ab einer Million Euro durch. Eines seiner politischen Ziele ist es, die Steuergeldverschwendung der Politiker zu bekämpfen, wofür er auch einen entsprechenden Straftatbestand fordert. Sein Lieblingszitat stammt von der ehemaligen britischen Premierministerin Margret Thatcher: „The problem with socialism is that you eventually run out of other people’s money." Übersetzt: „Das Problem mit dem Sozialismus ist, dass dir am Ende das Geld anderer Leute ausgehen wird."